Fachforum „Gemeinsam für die Kinder von Inhaftierten“
Auftaktveranstaltung der neuen Landesfachstelle „Netzwerk Kinder von inhaftierten Bayern“
Am 19. April 2023 fand das Fachforum „Gemeinsam für die Kinder von Inhaftierten” auf dem AEG-Gelände in Nürnberg statt. In dem Forum wurde den Fragen nachgegangen, welche Bedürfnisse Kinder von Inhaftierten haben, wie deren Situation verbessert werden kann und wie Justiz, Politik und Jugendhilfe ineinandergreifen können, um die bestmögliche Entwicklung dieser Kinder zu gewährleisten.
In insgesamt vier Vorträgen wurden die kinderrechtlichen Hintergründe und die daraus entstehende Verantwortung beleuchtet und mit best-pratice Beispielen unterfüttert:
- „Kinder inhaftierter Eltern – kinderrechtliche Sicht auf die Verantwortung von Kinder- und Jugendhilfe und Justiz“ Judith Feige, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention, Deutsches Institut für Menschrechte
- „Mit Kindern für Kinder: Interaktive Vorstellung des Projekts KiA“ Stefanie Seidel & Elisa Wehrl, Projekt KiA
- „Das Netzwerk KvI – Initiierung von landesweiter Strukturentwicklung“ Hilde Kugler & Sylvia Vogt, Netzwerk KvI Bundesprojekt
- „Das Netzwerk KvI Bayern – Verknüpfung der Hilfesysteme in Bayern“ Christiane Paulus & Stefanie Seidel, Netzwerk KvI Bayern
Begrüßung und Grußworte
Die Begrüßung fand durch Hilde Kugler, geschäftsführender Vorstand des Treffpunkt e.V. und Projektleitung des Netzwerk „Kinder von Inhaftierten“ (KvI), und Christiane Paulus, Leitung der Landesfachstelle Netzwerk „Kinder von Inhaftierten Bayern“ statt. Schon zu Beginn stellte Hilde Kugler klar: „Die Kinder verschwinden oft im Schatten der Inhaftierten“ und betonte damit die Notwendigkeit eines nachhaltigen Hilfekonzepts.
Die Grußwortredner Ministerialdirigent Peter Holzner, Abteilungsleiter Strafvollzug im Bayerischen Staatsministerium der Justiz, und Regierungsrat Christopher Konstandt, stellvertretender Referatsleiter des Referats V2 – Jugendhilfe am Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, leiteten das Fachforum ein. Beide sind sich sicher, dass die Zukunft von Kindern von Inhaftierten mit dem Start der Landesfachstelle Netzwerk Kinder von Inhaftierten Bayern in guten Händen ist. Auch wenn bestehende Netzwerke von Justiz und Jugendhilfe teilweise noch enger geknüpft werden und, wo nötig, neue Kooperationen aufgebaut werden müssen, ist Holzner optimistisch: „Wir sind mit diesen Projekten in Bayern ganz, ganz vorne mit dabei.“
KiA – Kinder in Aktion
So ist das Projekt „KiA – Kinder in Aktion“, das von der Aktion Mensch gefördert wurde und sich seit April 2020 bis April 2023 unter Beteiligung von Kindern der Entwicklung von Materialien und kindgerechten Informationen zu dem Thema „elterliche Inhaftierung“ widmete, in den Gefängnissen sichtbar und greifbar geworden. Zu den Materialien zählen u.a. Briefkästen, die mittlerweile in 22 bayerischen JVAs aufgestellt wurden und in denen Kinder die Möglichkeit haben, dem inhaftierten Elternteil unkompliziert Nachrichten oder Bilder zukommen zu lassen und Feedback zu ihrem Besuch im Gefängnis zu geben.
Eine weitere Idee, die während der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Besuchseinschränkungen entstand, ist ein Briefset, das den postalischen Austausch zwischen Kind und inhaftiertem Elternteil erheblich erleichtert sowie Vorlagen bietet, die selbst schon Kindergartenkindern mit etwas Hilfe verwenden können. Mittlerweile wurden bereits 1.000 solcher Sets verteilt. Mit dem Video „Hört uns zu“ wurde den betroffenen Kindern eine Stimme verliehen: Darin zu hören sind vertonte Zitate von Kindern von Inhaftierten, die zum Nachdenken anregen und berühren.
Kinderrechtliche Sicht auf die Verantwortung von Kinder- und Jugendhilfe und Justiz
Judit Feige, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention, Deutsches Institut für Menschrecht, stellte zunächst die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) vor, klärte über die Rechte von Kindern inhaftierter Eltern sowie über die Staatenpflichten zur Umsetzung der UN-KRK auf. In ihrem Vortrag betonte Feige, dass es falsch sei, pauschal anzunehmen, dass Kindern der Kontakt zu einem inhaftierten Elternteil schade. Oft sei sogar das Gegenteil der Fall: Wenn einem Kind der Umgang mit dem inhaftierten Elternteil nicht ermöglicht wird, kann das schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.
So empfiehlt auch die COPING-Studie, dass es besonders wichtig ist, den direkten Kontakt (physisch/interaktiv) zwischen dem Kind und dem inhaftierten Elternteil aufrechtzuerhalten. Das hilft den betroffenen Kindern, besser mit der Situation umzugehen. Dabei ist jedoch der Kontakt zum inhaftierten Elternteil – je nach Bundesland – sehr unterschiedlich und variiert zwischen einem und bis zu vier Besuchen im Monat.
Netzwerk Kinder von Inhaftierten
Schätzungen zufolge sind in Deutschland jährlich 100.000 Kinder von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen, bayernweit sind es etwa 14.000 Kinder. Die Inhaftierung eines Elternteils verändert den Alltag einer Familie grundlegend und hat auch auf die Kinder schwerwiegende und belastende Auswirkungen. Daher hat sich das Netzwerk „Kinder von Inhaftierten“ (KvI) das Ziel gesetzt, mit vielfältiger Informations- und Öffentlichkeitsarbeit für das Thema zu sensibilisieren sowie den interdisziplinären Austausch und neue Kooperationen zu fördern.
Das Netzwerk KvI ist ein Zusammenschluss verschiedenster Akteure aus Justiz, Jugendhilfe, Verbänden, Wissenschaft und Kinderrechten, die mit betroffenen Kindern im Kontakt sind, für sie Verantwortung tragen oder die vulnerable Zielgruppe unterstützen möchten. In folgenden Bundesländern gibt es KvI Landesfachstellen: Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen. Nachdem 2022 die Konzeptionsphase für das Projekt „Netzwerk Kinder von Inhaftierten“ stattgefunden hat, geht es nun an die konkrete Umsetzung.
Landesfachstelle Netzwerk Kinder von Inhaftierten Bayern
Im Januar 2023 wurde die Landesfachstelle „Netzwerk Kinder von Inhaftierten Bayern“ gegründet, die für den Aufbau einer koordinierten Unterstützungsstruktur und von Angeboten auf unterschiedlichsten Ebenen zuständig ist. Das wichtigste Ziel ist dabei immer: „Die Gewährleistung der bestmöglichen Entwicklung der Kinder von Inhaftierten“, wie Christiane Paulus, Leitung der Landesfachstelle Netzwerk KiA Bayern, betonte. Durch verschiedene Maßnahmen soll dabei auf die Lage von betroffenen Kindern aufmerksam gemacht und deren Situation verbessert werden. Die Landesfachstelle fungiert dabei als Ansprechpartner für alle Anfragen rund um das Thema „Kinder von Inhaftierten“ sowohl für Betroffene als auch für Fachkräfte.
Fazit: Grundstein für ein nachhaltiges, interdisziplinäres Hilfekonzept
Zwischen und während den einzelnen Vorträgen gab es immer wieder die Möglichkeit, sich auszutauschen, Fragestellungen zu diskutierten und neue Kontakte zu knüpfen. Ein besonderes Highlight war der Actionbound, der von den Forumsteilnehmern*innen live vor Ort getestet wurde. Der Actionbound ist ein digitales Quiz, das interaktiv und spielerisch einen Einstieg in das Thema Gefängnis und Angehörige von Inhaftierten Menschen bietet. Die virtuelle Schnitzeljagd klärte nicht nur über das Thema Inhaftierung auf, sondern sorgte auch für viel Erheiterung und Spaß und regte zu Gesprächen an. Die Siegerin wurde mit einem „Juki“ geehrt.
Abgerundet wurde das Fachforum durch einen interaktiven Workshop, in dem ermittelt wurde, in wieweit es schon eine gute Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen bestehend aus Justizministerien, und den für Kinder, Jugend und Familien sowie den für Soziales zuständigen Ministerien gibt. Durch die multiprofessionelle und sachgebietsübergreifende Zusammenstellung der Forumsteilnehmer*innen wurde ein weiterer Grundstein für ein nachhaltiges, interdisziplinäres Hilfekonzept gelegt. Denn nur wenn alle Institutionen Hand in Hand greifen, kann die Situation von Kindern von Inhaftierten nachhaltig verbessert werden.