Ein offenes Ohr für Angehörige – das Ehrenamt im Angehörigencafé

Angehörigencafé vor der JVA Nürnberg

Wenn ein geliebter Mensch inhaftiert wird, verändert sich das Leben der Angehörigen schlagartig. Unsicherheit, Schock und viele unbeantwortete Fragen bestimmen die ersten Tage und Wochen. Gerade in dieser schwierigen Zeit sind Unterstützung, Orientierung und ein offenes Ohr unverzichtbar. Genau hier setzt das Angehörigencafé an, und Menschen wie Jürgen, die sich mit Herz und Engagement einbringen.

Seine Motivation kam aus nächster Nähe. „Meine Frau arbeitet beim Treffpunkt e.V. Da habe ich viel darüber gehört, wie sehr Angehörige in den ersten Tagen allein gelassen werden“, erzählt er. „Ich wollte ein Verbindungsstück sein zwischen den Angehörigen und der Justiz“.

Was für Außenstehende nüchtern klingt, hat für die Menschen, die ihm begegnen, eine große Bedeutung. Denn wenn jemand ins Gefängnis kommt, stehen Familien plötzlich vor einer Wand: eingeschränkte Telefonate, begrenzte Besuche, kaum Informationen. Angehörige fühlen sich allein gelassen, und Kinder verstehen oft gar nicht, warum der Vater oder die Mutter plötzlich verschwunden ist.

Mit Glückskeksen, Broschüren und einem Lastenrad Gepäck baut er das Angehörigencafé vor der Justizvollzugsanstalt Nürnberg auf. „Am schönsten ist es, wenn es sich mischt und Angehörige mit Angestellten der Justiz ins Gespräch kommen. Dann entsteht Verständnis auf beiden Seiten.“

Die Begegnungen sind unterschiedlich: Manche sind kurz, andere tiefgehend. Besonders bewegt hat ihn ein junges Mädchen, kaum 16, schwanger, dass ihren Freund im Jugendvollzug besuchte. „Da fragt man sich schon, wo soll das mal hingehen? Gerade für die Kinder, die können am allerwenigsten dafür.“

Seinen Einsatz beschreibt er bescheiden, doch für Angehörige sind schon kleine Gesten wertvoll. Ein Hinweis auf Hilfsmöglichkeiten, ein offenes Ohr oder einfach das Gefühl, in dieser schwierigen Situation nicht völlig allein zu sein. „Wir können das System nicht verändern, aber wir können da sein: im richtigen Moment, für die richtige Person.“

Für ihn persönlich ist das Ehrenamt eine Bereicherung. Als Krankenpfleger bringt er Erfahrung im Umgang mit schwierigen Situationen mit, doch im Angehörigencafé lernt er eine ganz andere Welt kennen – die des Strafvollzugs, jenseits von Filmen und Klischees. Und er weiß: Auch kleine Schritte können entscheidend sein. „Man sollte sich etwas suchen, das Freude macht. Es geht darum, heute jemandem etwas Gutes zu tun und nicht darum, ob es in zehn Jahren noch Wirkung zeigt.“

 

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