Interview: „Rothenberg Repeat“ – Spendenlauf für Kinder von Inhaftierten

Am 25. November fand der 2. „Rothenberg Repeat“ statt. Er wurde 2020 von Simon Spindler speziell für Kinder von Inhaftierten ins Leben gerufen. Der Spendenlauf dauert 24 Stunden, in denen so viel Höhenmeter wie möglich gelaufen werden sollen. Je mehr Höhenmeter zusammenkommen, desto höher ist der Betrag, der gespendet wird.

Frage 1: Herzlichen Glückwunsch zu deinem sportlichen Erfolg! Wir haben uns gerade noch einmal das Video deines Laufes angeschaut und sind tief beeindruckt von deiner phänomenalen Leistung. Kannst du uns erzählen, wie sich die 24 Stunden angefühlt haben und wie es war, als der Lauf zu Ende gegangen ist?

Vielen Dank! Ich bin beim Rothenberg Repeat ja nicht nur als Läufer im Einsatz, sondern bin auch Einladender, Organisator und Betreuer in Personalunion. Ich wurde aber tatkräftig von Patrick, der auch das Video gefilmt und geschnitten hat, unterstützt. Wir hatten ein Selbstversorgerhaus direkt am Start-/Zielbereich gebucht, was es bezüglich Aufwärmen, Verpflegung und Schlafen deutlich angenehmer gemacht hat. Aufgrund dieser verschiedenen Rollen, hatte ich mir im Vorfeld vorgenommen, es ganz entspannt angehen zu lassen. Zwar hatte ich mir erhofft, an einem sehr guten Tag auf 45 Runden (pro Runde 3km und 200 Höhenmeter) und somit auf über 8848 Höhenmeter (Mount Everest) zu kommen, wollte aber auch nichts um einen hohen Preis erzwingen. So kam es, dass ich die ersten 15 Runden sehr entspannt Laufen konnte. Dann, mit Einbruch der Dämmerung und des stärkeren Schneefalls, ging die Kraft nach ca. 8 Stunden langsam zu Neige. Nach 23 Runden, ich war knapp 12 Stunden unterwegs, machte ich eine längere Verpflegungspause und beschloss im Anschluss daran erst einmal schlafen zu gehen. Gegen 1 Uhr nachts stand ich auf, um zu schauen, wie es den übrigen Läufern ergeht (drei waren noch unterwegs), lief zwei Runden und legte mich anschließend wieder hin. Zur letzten Runde stand ich nochmal auf, um den Abschluss zelebrieren. Zwei Teilnehmer liefen die 24 Stunden ohne große Pausen durch und überschritten die Grenze von 45 bzw. 46 Runden. Eine Wahnsinnsleistung bei diesen schwierigen Bedingungen mit Schnee, Sturm, Matsch und Kälte. Mich selbst hat es sehr glücklich gemacht, zu verfolgen, wie alle Läufer*innen um ihre eigenen Ziele kämpften. Sehr beeindruckend! Körperlich ging es mir selbst, bis auf die Müdigkeit, sehr, sehr gut. Ich bin meinem Körper sehr dankbar, dass er diese Strapazen manchmal recht gut aushält.

Frage 2: Du spendest nicht nur alle finanziellen Überschüsse für Kinder von Inhaftierten, sondern hast diesen Spendenlauf 2020 ins Leben gerufen. Wie bist du darauf gekommen und warum möchtest du gerade diese spezielle Gruppe von Kindern unterstützen?

Seit meinem Praktikum im Studium der Sozialen Arbeit war ich eng mit dem Treffpunkt e.V. verbunden und arbeitete seit 2013 in den Bereichen Soziales Training, Soziale Einzeltrainings und der Treffpunkt Akademie. Während meiner Tätigkeit gab es schon immer Überschneidungen mit anderen Teams. Wir hatte einmal die Aktion, dass jeder in zwei anderen Bereichen der Einrichtung hospitieren sollte. Ich wählte die Beratungsstelle für Angehörige von Inhaftierten und war von dieser Arbeit sehr berührt. Insbesondere die Projekte für Kinder von Inhaftierten haben es mir angetan. Als dreifacher Papa konnte ich mich da ganz gut hineinfühlen und empfand es als hochgradig unfair, dass Kindern von Inhaftierten Hürden, ja fast riesige Berge in den Lebensweg gelegt werden, für die sie gar nicht selbst verantwortlich sind. Kombiniert mit meiner eigenen Laufleidenschaft entstand diese Idee (mit der Berg- bzw. Höhenmeter-Metapher) in meinem Kopf. Allerdings setzte ich dieses Projekt erst nach meinem Ausscheiden bei Treffpunkt e.V. im Sommer 2020 in die Tat um. Da ich mich mit den Werten und der Arbeits-Kultur bei Treffpunkt e.V. zu 99% identifizieren konnte, baute ich über die Jahre eine ganz starke Bindung und Solidarität auf. Der Wechsel weg vom Treffpunkt e.V. war ein der familiären Situation geschuldeter „Kopf-Wechsel“. Das Herz blieb und bleibt auch bis heute teilweise bei meiner ersten sozialpädagogischen Station. Das führte dazu, dass ich mich mit einem Spendenlauf „verabschieden“ wollte. Das war die Geburtsstunde des Rothenberg Repeat.

Frage 3: Wie hat sich die Suche nach Spender*innen gestaltet? War es einfach, Spender*innen für dein Projekt zu gewinnen?

Beim ersten Durchgang (Anfang 2021) haben das Läufer*innen übernommen. Ich mache das ganz nebenbei und der Aufwand Sponsoren zu finden ist leider sehr groß. Daher sind die Spender*innen die Läufer*innen selbst. Ich hatte immer so ca. 20 Läufer*innen, die, je nachdem wie weit sie laufen wollten, auf den Organisationsbeitrag von 5€ immer nochmal was draufgesetzt haben. Alle Überschüsse gehen dann in den Spendentopf.

Frage 4: Wie hast du potentielle Mitstreiter gefunden? Hast du schnell Läufer*innen gefunden, die sich dieser Herausforderung stellen wollten?

Gar nicht. Es gibt mehr Verrückte als man vielleicht erwarten würde. Tatsächlich war die Nachfrage auch der Auslöser eine zweite Auflage zu starten. Diesen zwei Jahres-Rhythmus möchte ich nun gerne weiterbehalten. Allerdings werde ich immer zwischen einem 24-Stunden und einem 12-Stunden-Lauf wechseln. Das heißt, dass es im Herbst 2025 wieder soweit sein wird!

Frage 5: Zum Abschluss, was würdest du anderen Menschen raten, die darüber nachdenken, sich sozial zu engagieren oder ähnliche wohltätige Initiativen ins Leben zu rufen oder zu unterstützen?

Verrückte/kreative Ideen kombiniert mit einem gemeinnützigen Spendenziel, das uns emotional erreicht, sind immer eine gute Grundlage für erfolgreiche Projekte. Außerdem würde ich jedem raten, ganz klein und mit realistischen Zielen zu starten. Auch kleine Beträge, die in den Spendentopf fließen, sind schon ein Erfolg. Und natürlich: wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Einfach mal Ausprobieren! Mein Ziel wäre es, den nächsten Durchgang des Rothenberg Repeat in 2025 ein kleines Stückchen „professioneller“ zu machen. Vor allem im Hinblick auf Öffentlichkeitsarbeit und Spendenbereitschaft. Den kleinen, liebevollen und persönlichen Charakter, mit maximal 30 Läufer*innen soll aber unbedingt beibehalten werden. Die Reduzierung auf diesen Berg, bei manchmal ungemütlichen Bedingungen, ist das Erlebnis und eben auch die, meiner Meinung nach, beste Art und Weise, den Kindern von Inhaftierten, im übertragen Sinn, bei der Überwindung ihrer Berge in der Biographie beizustehen.

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