Wir haben nachgefragt!

Was wollen Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, DIE LINKE und SPD in der kommenden Legislaturperiode in Bremen zur Verwirklichung der Rechte von Kindern inhaftierter Eltern tun?

Hier die Antworten auf die Fragen des bundesweiten Netzwerks KvI anlässlich der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft 2023 zu insgesamt vier Fragen.

Frage 1

Welche Maßnahmen plant Ihre Partei für die Entwicklung eines Systems, das Daten zur Anzahl der Kinder mit Eltern in Haft sowie deren Lebenssituation erhebt und das Angebote für Kinder inhaftierter Eltern erfasst?

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat sich in seinen aktuellen Empfehlungen an Deutschland vom 13. Oktober 2022 diesbezüglich für eine bessere Datenlage und für eine Erhöhung der Häufigkeit und Dauer der Besuche sowie für regelmäßigen Onlinekontakt ausgesprochen. Zudem empfiehlt der Ausschuss, föderale Standards zu entwickeln, die sicherstellen, dass die Kinder persönliche Beziehungen zu ihren Eltern aufrechterhalten können und Zugang zu angemessenen Dienstleistungen und geeigneter Unterstützung haben. Wir sehen diese Empfehlungen als Auftrag für die Bundesländer an und wollen die Umsetzung in der nächsten Wahlperiode angehen. Da die Kinder oft nicht in dem Bundesland leben, in dem ihre Eltern inhaftiert sind, dürfte ein abgestimmtes Vorgehen über die Justizministerkonferenz erforderlich sein. Hierfür werden wir uns einsetzen.

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Die Vernetzung aller Behörden, dies ermöglich gerade die Digitalisierung, ist ein wichtiger Schritt in die Zukunft. Die Justizbehörden benötigen eine bessere Vernetzung mit den Jugendbehörden, um sowohl die Resozialisierung, der in Haft befindliche Person, als auch den Schutz des Kindes zu gewährleisten. Eine Schädigung des Kindes durch fehlende Strukturen (z.B. Unterbringung mit der Mutter bei Kleinkindern in geeigneten Gefängnissen) ist abzulehnen. Familie – und dazu gehören auch Menschen in Haft – steht laut Grundgesetz unter besonderem Schutz. Eine Schädigung des Kleinkindes (prägende Zeit) ist unter allen Umständen zu verhindern

DIE LINKE verfolgt zwei Ziele, die in Einklang gebracht werden müssen: Datenerhebungen unter Beachtung von Datenschutz, gerade hinsichtlich sensibler personenbezogener Daten zum einen, und zum anderen eine gute Unterstützung und Förderung von Kindern in schwierigen Lebenssituation und -lagen. Daten über die Anzahl von Kindern mit Eltern in Haft und über unterstützende Angebote sind wichtig, um Bedarfe zu kennen und zu verstehen. Eine diesbezüglich sensible Datenerhebung unterstützen wir, etwa wie sie von Expert*innen in Form von Auswertungen von Kindern in Einrichtungen der Jugendhilfe vorgeschlagen werden (z.B. Anzahl von Kindern in Jugendhilfeeinrichtungen mit Eltern in Haft). Die Erhebung und Evaluierung von Angeboten für diese Kinder und Jugendlichen ist sinnvoll und aus Datenschutzgründen kaum problematisch.

Für die SPD ist die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags, Voraussetzungen und Strukturen zu schaffen, die das Wohlergehen aller Kinder und Jugendlichen in unseren beiden Städten bestmöglich sicherstellen und sie darin fördern, zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten heranzuwachsen, von höchster Priorität. Angesichts der Risiken, die mit der Inhaftierung eines Elternteils für das Wohlbefinden und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen einhergehen, müssen wir dieser Gruppe besondere Aufmerksamkeit und bei Bedarf einzelfallspezifische Unterstützung zukommen lassen. Wir werden überprüfen, ob unsere Hilfesysteme sowohl im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe als auch im Bereich des Justizvollzugs für die besondere Situation dieser Kinder, Jugendlichen und ihrer Eltern ausreichend sensibilisiert sind und wo es ggf. struktureller Verbesserungen bei der Erfassung von der Erfüllung von Hilfebedarfen erfordert. Entsprechend werden wir handeln.

Frage 2

Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um Kindern kindgerechte Besuche und Kontakt mit ihren inhaftierten Eltern zu ermöglichen zum Beispiel durch häufigere und längere Besuchszeiten und um zusätzliche Kontaktmöglichkeiten über digitale Formate einzurichten?

Entsprechend den Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats zu Kindern inhaftierter Eltern setzen wir uns dafür ein, dass kindgerechte Besuche grundsätzlich einmal pro Woche gestattet sein sollten, bei sehr kleinen Kindern ggf. kürzere und häufigere Besuche. Wir werden prüfen, ob für den Fall, dass die Betreuungsperson des Kindes für regelmäßige Besuche nicht zur Verfügung steht, eine Ersatzbetreuung organisiert werden kann. Die Warte- und Besuchsräume sind kindgerecht zu gestalten.
Wenn vertretbar, sollten Begegnungen außerhalb der JVA ermöglicht werden. Nötigenfalls werden wir entsprechende Regelungen in das Bremische Strafvollzugsgesetz aufnehmen.
Während der Pandemie hat die JVA Bremen gute Erfahrungen mit Videotelefonie gemacht. Diese wollen wir auch künftig verstärkt einsetzen. Wir schaffen einen „digitalen Freigang“ und bieten den Gefangenen digitale Teilhabe unter kontrollierten Bedingungen. Das heißt, wir ermöglichen Gefangenen, bei denen dies zu verantworten ist, Zugang zu Internet und E-Mail, um den Kontakt mit ihren Familien zu verbessern.

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Digitaler Kontakt von Kindern mit ihrem inhaftierten Elternteil ist Teil einer vollumfänglichen Digitalisierung und bildet eine zu unterstützende Lebensrealität ab. Wir Freien Demokraten begrüßen jeden Schritt zum Schutz des Kindes und zur Resozialisierung des Elternteils.

DIE LINKE unterstützt Forderungen nach einem kindgerechten Kontakt zu inhaftierten Eltern, wie sie von der UN-Kinderrechtskonvention formuliert werden. Sie haben ein Recht auf Kontakt zu ihren Elternteilen. Wir fordern und unterstützen deshalb Maßnahmen, die den Kontakt von Kindern zu ihren inhaftierten Elternteilen aus einer kindgerechten Perspektive ermöglichen. Dazu gehört auch die Etablierung eines Prozesses, in dem Jugendhilfe und Justiz zusammenarbeiten. Wir fordern zudem für den Besuch von Kindern bei ihren inhaftierten Elternteilen Besuchszeiten, die den Bedürfnissen von Kindern entsprechen; soweit möglich Hafturlaub und Ausgang, um die Kinder möglichst in einem kindgerechteren Rahmen als in der Justizvollzugsanstalt zu treffen; in den Haftanstalten familiengerechte Besuchszimmer sowie einen kindgerechten Aufenthalt während des Besuchs in der Haftanstalt (etwa, indem die Einlasssituation kindgerecht gestaltet wird und etwa auf Körperdurchsuchungen verzichtet wird). Auch digitale Formate sind aus unserer Sicht denkbar.

Ziel muss es sein, nachteilige Auswirkungen der Inhaftierung eines Elternteils auf Kinder möglichst gering zu halten. Selbstverständlich bleibt für Kinder Inhaftierter, soweit dem Kindeswohl entsprechend, ein regelmäßiger Kontakt zu ihren Eltern wichtig. Wir wollen deshalb für die Aufrechterhaltung normaler Familienbeziehungen die Hürden in der Haft senken – soweit dies der Strafvollzug zulässt. So sollen zwischen persönlichen Treffen regelmäßige Telefonate der inhaftierten Elternteile mit ihren Kindern ermöglicht werden, bei entfernt wohnenden Kindern auch in Form von digitalen Video-Anrufen (Skype). Für kindgerechte Rahmenbedingungen bei Besuchen ist im bremischen Justizvollzug gesorgt: Neben einer kindgerechten Ausstattung der Begegnungsräume steht auch ein Familienzimmer zur Verfügung. In den zurückliegenden Zeiten der Corona-Beschränkungen wurde zudem mit der Nutzung des Außenbereichs der JVA trotz der pandemischen Situation Interaktion zwischen Elternteil und Kind ermöglicht.

Frage 3

Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um der Kinder- und Jugendhilfe, dem Justizvollzug und den Eltern hinreichende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die die Umsetzung der Besuchsund Kontaktrechte von Kindern inhaftierter Eltern sicherstellen?

Die Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats zu Kindern inhaftierter Eltern sehen vor, dass die Justizvollzugsverwaltungen ausgewiesene „Kinder- und/oder Familienzuständige“ auswählen, ernennen und mit Ressourcen ausstatten und ihnen u.a. die Aufgabe übertragen sollten, Kinder und ihre inhaftierten Eltern zu unterstützen, Besuche in einem kindgerechten Umfeld zu ermöglichen und Beratung und Information insbesondere für Kinder anzubieten, die erstmalig mit dem Gefängnisumfeld in Berührung kommen, sowie mit den für die Belange von Kindern und ihren inhaftierten Eltern zuständigen Stellen, Fachleuten und Organisationen in Verbindung zu treten. Wir werden prüfen, wie sich diese Empfehlung in Bremen sinnvoll umsetzen lässt. Darüber hinaus wollen wir durch Schulungen und Weiterbildungen sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden, die Kontakt zu Kindern und ihren inhaftierten Eltern haben, in Bezug auf Kinder betreffende Konzepte, Vorgehensweisen und Verfahren angemessen qualifiziert werden.

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Die Ausstattung der Justiz mit ausreichend Personal und eine engere Vernetzung der Kind- und Jugendhilfe mit den Justizvollzugsanstalten und Justizbehörden ist zwingend notwendig. Wir begrüßen daher eine Aufstockung des Justizpersonals und eine Aus- und Weiterbildung des bestehenden Personals.

Die Jugendhilfe beschäftigt sich erst seit kurzer Zeit mit Kindern inhaftierter Eltern. Hier gilt es, in Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Justiz Konzepte für einen kindgerechten Kontakt zu inhaftierten Elternteilen zu entwickeln. Die hierfür benötigten Ressourcen fordert die LINKE, ebenso wie Mittel für längerer Besuchszeiten, die kindgerecht auch außerhalb der üblichen Besuchszeiten liegen können. Des Weiteren werden Mittel für Fortbildungen der im Justizsystem Beschäftigten wie auch für die Ausstattung der Justizhaftanstalten benötigt, um regelmäßige Onlinekontakte zwischen Eltern und Kindern zu ermöglichen.

Das Bremische Strafvollzugsgesetz sieht neben der Mindestbesuchszeit von monatlich 2 Stunden für Besuche von Kindern unter 14 Jahren bereits eine Erweiterung um eine Stunde vor. Daneben bestehen auch Möglichkeiten für zusätzliche Besuche zur Eingliederung der Gefangenen oder für bestimmte persönliche Angelegenheiten. Ebenso sind unbeaufsichtigte Langzeitbesuche zur Pflege der familiären Kontakte möglich – wie auch beaufsichtigte Langzeitbesuche von Kindern unter 18 Jahren. Widerspricht dies nicht dem Kindeswohl, setzen wir uns für eine Förderung des Eltern-Kind-Kontaktes ein und werden hierfür eine effektive Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bzw. mit Erziehungsberatungsstellen sicherstellen. Weitere Maßnahmen im Interesse des Kindeswohls inklusive der hierfür ggf. erforderlichen Ressourcen werden wir auf der Grundlage hierzu erstellter Studien prüfen.

Frage 4

Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um Angebote zu unterstützen und auszubauen, die inhaftierten Eltern eine Teilhabe an der Elternschaft ermöglichen und ihre Beziehungs- und Erziehungskompetenz erweitern (im Sinne einer verlässlichen Elternschaft zum Wohle des Kindes)?

Soweit es mit dem Kindeswohl vereinbar ist, sollten inhaftierte Eltern die Möglichkeit haben, mit der Schule ihres Kindes, mit dem Kinderarzt und anderen Stellen zu kommunizieren und entsprechende elterliche Entscheidungen zu treffen. Zudem wollen wir sicherstellen, dass die JVA Eltern-Kompetenz-Trainings anbietet, um mit inhaftierten Eltern am Verständnis ihrer Rolle sowie am Eltern- und Familienbild zu arbeiten und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, auch in der Haft eine aktive Elternrolle verantwortlich einzunehmen.

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Das Kindeswohl steht an erster Stelle und darf durch die Inhaftierung eines Elternteils nicht gefährdet werden. Beispielsweise werden dringend mehr Mutter-Kind-Plätze benötigt, da diese in Bremen nicht vorhanden sind. Ob ein Ausweichen auf die JVA Vechta hierbei ausreicht, ist zu prüfen.

Bei allen Maßnahmen steht das Kindswohl an erster Stelle und stellt die Leitlinie dar, an der sich die Maßnahmen orientieren. Das bedeutet auch, dass es eines Maßnahmenbündels braucht, denn die jeweiligen Kontaktformen sind immer auch eine Einzelfallentscheidung. Seitens der Jugend- und Familienhilfe sowie der Sozialen Arbeit müssen auch für inhaftierte Eltern Angebote bereitgestellt werden, die Eltern in der Beziehungspflege zu ihren Kindern unterstützen. Dazu gehören etwa Angebote für inhaftierte Eltern wie Familien- und Erziehungskurse sowie Familientage und Familienfreizeitangebote. Auch Elterngruppen (Selbsthilfe- und Erfahrungsgruppen) in den Haftanstalten sind denkbar. Erziehungshilfen müssen auch in Justizhaftanstalten zugänglich gemacht werden. Psychologische und beratende Angebote, die Elternschaft thematisieren, sollten das Angebot abrunden.

In Bremen gibt es bereits mehrere Angebote, die eine aktive und verantwortungsvolle Elternschaft von Eltern in Haft im Sinne des Kindeswohls fördern. Zu nennen sind insbesondere das Projekt „Ich lese für dich. Gute-Nacht-Geschichten aus dem Gefängnis“, das „Eltern-Kind-Projekt“ des Vereins Bremische Straffälligenbetreuung und die “Zukunftswerkstatt Mitbestraft” der Hochschule Bremen und des Vereins Bremische Straffälligenbetreuung unter Beteiligung von Behörden und freien Trägern der Jugendhilfe.
Zudem stehen auch mit den im Justizvollzug angebotenen sozialen Trainings spezielle Angebote zur Förderung von Beziehungs- und Erziehungskompetenz bereit. Wir setzen uns für die Aufrechterhaltung bzw. Weiterentwicklung dieser Maßnahmen ein. Weitere Maßnahmen im Interesse des Kindeswohls inklusive der hierfür ggf. erforderlichen Ressourcen werden wir auf der Grundlage hierzu erstellter Studien und im Austausch mit relevanten Akteur*innen prüfen.

Hier stehen die kompletten Antworten der Parteien zum Download bereit:

Lesen Sie auch die Antworten der Parteien zum Thema Kinder von Inhaftierten aus den anderen Bundesländern: