Am 13. Juni 2024 fand in Berlin die internationale COPE-Jahreskonferenz unter dem Titel „Let’s Talk to One Another: A Cross-Sectoral Approach for Children with a Parent in Prison“ statt. Organisiert vom Treffpunkt e.V. in Zusammenarbeit mit COPE (Children of Prisoners Europe) brachte die Konferenz über 200 Expert:innen aus mehr als 20 Ländern zusammen. Vertreter:innen aus Ministerien, Justizvollzugsanstalten, Jugendämtern, NGOs, Bildungseinrichtungen und der Wissenschaft diskutierten über die Rechte und Bedürfnisse von Kindern inhaftierter Eltern. Ziel war die Stärkung eines sektorübergreifenden Ansatzes zur Unterstützung der Kinder von Inhaftierten, die mit erheblichen sozialen, emotionalen und psychologischen Herausforderungen konfrontiert sind.

Kontext und Ziele der COPE-Konferenz

Die COPE-Konferenz stellte die besonderen Bedürfnisse und Rechte von Kindern inhaftierter Eltern in den Mittelpunkt, deren Situation sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene oft vernachlässigt wird. In Deutschland sind schätzungsweise 100.000 Kinder von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Das bedeutet, es gibt mehr betroffene Kinder als Inhaftierte selbst.

Diese Kinder sind häufig mit sozialer Ausgrenzung, psychischem Stress und dem Stigma der Inhaftierung eines oder beider Elternteile konfrontiert. Obwohl das Bewusstsein für diese Problematik in den letzten Jahren gestiegen ist, fehlt es immer noch an umfassenden und ganzheitlichen Unterstützungsangeboten.

Daher wurde 2018 das Netzwerk Kinder von Inhaftierten (KvI) vom Treffpunkt e.V. aufgebaut. Es vereint eine Vielzahl von Akteur:innen aus Justiz, Jugendhilfe, Politik, Verbänden, freien Trägern, Wissenschaft und Kinderrechtsvertreter:innen, die mit betroffenen Kindern im Kontakt sind, für sie Verantwortung tragen oder die vulnerable Zielgruppe unterstützen möchten. Seit 2022 besteht ein Strukturentwicklungsprojekt (gefördert durch die Auridis Stiftung) mit dem Ziel, eine sektorübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und die bestmögliche Entwicklung der betroffenen Kinder sicherzustellen. Das Netzwerk KvI umfasst die Bundesinitiative sowie Landes- bzw. Koordinierungsstellen in Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfahlen zusammen. Weitere Bundesländer sind im Gespräch.

Die COPE-Konferenz bot eine ideale Plattform, um diese Bemühungen durch internationale Best-Practice-Beispiele und innovative Ansätze zu stärken. Ziel war es, sektorübergreifende Lösungsansätze zu entwickeln, die den betroffenen Kindern sowie ihren Familien und den inhaftierten Elternteilen konkrete Hilfen bieten.

Kernforderungen zur Unterstützung von Kindern inhaftierter Eltern

  1. Verbesserung der Besuchszeiten und Unterstützung: Der UN-Ausschuss für Kinderrechte und das Ministerkomitee des Europarats haben klare Empfehlungen ausgesprochen, um die Situation von Kindern inhaftierter Eltern zu verbessern. Dazu gehören häufigere Besuchszeiten, kinderfreundliche Umgebungen und umfassende Unterstützung für Eltern und Kinder während und nach der Haftzeit.
  2. Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Konferenz betonte die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Justiz, Jugendhilfe und anderen relevanten Sektoren. Dies beinhaltet Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für alle Berufsgruppen, die mit betroffenen Kindern in Kontakt kommen.
  3. Chancengleichheit und Ressourcen: Ein zentrales Anliegen ist die Sicherstellung der Chancengleichheit für alle Kinder von Inhaftierten, unabhängig von ihrem Wohnort. Dies erfordert ein abgestimmtes Vorgehen der Bundesländer und ausreichende finanzielle Mittel von Bund und Ländern.

Hilde Kugler, Geschäftsführerin Treffpunkt e.V. und Leitung Netzwerk KvI, begrüßt die Teilnehmer*innen der COPE-Konferenz.Moderation und Grußwortredner

Nachdem Hilde Kugler, Geschäftsführerin Treffpunkt e.V. und Leitung Netzwerk KvI, die Teilnehmenden herzlich begrüßt hatte, folgten Grußworte von hochrangigen Vertreter:innen unterschiedlicher Institutionen. Christian Richard, Referatsleiter und stellvertretender Leiter der Abteilung III für Justizvollzug, Gnadenwesen und Soziale Dienste in Berlin, eröffnete die Reden, gefolgt von Dr. Meike Kazmierczak, Leiterin des Referats Kinderrechte im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zudem sprachen Margaret Tuite, Präsidentin von COPE, und Marc von Krosigk, Geschäftsführer der Auridis Stiftung.

Claudia Kittel, Leitung der Monitoring-Stelle zur UN-Kinderrechtskonvention (KRK) des Deutschen Instituts für Menschenrechte, führte als ausgewiesene Expertin im Bereich Kinderrechte durch den Tag. Mit ihrer langjährigen Erfahrung in der Überwachung der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland verlieh sie der Veranstaltung eine fachlich fundierte und zielgerichtete Struktur. Ihre Moderation ermöglichte es, die verschiedenen Perspektiven der Konferenzteilnehmenden auf die Rechte und Bedürfnisse der Kinder von Inhaftierten zusammenzuführen.

Ein Erfahrungsbericht: Die Stimme einer Betroffenen

Ein besonders bewegender Moment der Konferenz war der anschließende Erfahrungsbericht einer jungen Erwachsenen, die mit einem inhaftierten Vater aufgewachsen ist. Sie schilderte eindrucksvoll, wie schwer es war, mit dem Stigma und der Isolation umzugehen, die die Inhaftierung ihres Vaters mit sich brachte. Ihre Geschichte war eine eindrucksvolle Erinnerung daran, wie wichtig es ist, die Stimmen der betroffenen Kinder in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen.

Deutsche Perspektive: Fragmentierte Unterstützung und dringender Handlungsbedarf

Ein Schwerpunkt der Konferenz lag auf den besonderen Herausforderungen in Deutschland. Claudia Kittel und Judith Feige stellten die Arbeit der Monitoring-Stelle zur UN-KRK des Deutschen Instituts für Menschenrechte vor und beleuchteten die rechtlichen sowie strukturellen Defizite im Umgang mit Kindern inhaftierter Eltern. Sie wiesen darauf hin, dass es zwar klare Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention gibt, jedoch keine einheitlichen Standards existieren. So gibt es beispielsweise erhebliche Unterschiede bei den Besuchsregelungen der 16 Bundesländer. Während einige Bundesländer flexible Besuchsmöglichkeiten bieten, die es den Kindern erleichtern, den Kontakt zu ihrem inhaftierten Elternteil aufrechtzuerhalten, sind die Regelungen in anderen Bundesländern deutlich restriktiver. Justina Dzienko, stellvertretende Direktorin von EuroPris mit Sitz in Den Haag, Niederlande, ergänzte diese Perspektive und hob hervor, dass diese regionalen Unterschiede zu erheblichen Ungleichbehandlungen der betroffenen Familien führen und es den Kindern erschweren, eine stabile Beziehung zu ihrem inhaftierten Elternteil zu pflegen.

Beide Präsentationen unterstrichen die Notwenigkeit, diese Unterschiede zu überwinden und auf nationaler Ebene eine einheitliche sowie kindgerechte Regelung zu schaffen, um die Rechte der betroffenen Kinder nachhaltig zu schützen. Dafür bedarf es einer bundesweiten Richtlinie, die sicherstellt, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, ihren inhaftierten Elternteil regelmäßig unter kindgerechten Bedingungen zu besuchen.

Der deutsche Ansatz des Netzwerk KvI: „Top-down“ und „Bottom-up“

In ihrer gemeinsamen Präsentation legten Hilde Kugler von der Bundesinitiative Netzwerk Kinder von Inhaftierten (KvI) und Ben Spöler von der Auridis Stiftung den Fokus auf den deutschen Ansatz, der eine Kombination aus „Top-down“- und „Bottom-up“-Strategien verfolgt. Sie betonten, dass die Umsetzung internationaler Empfehlungen, wie der UN-Kinderrechtskonvention und der Europaratsempfehlungen, durch nationale Maßnahmen unterstützt wird. Ein zentraler Aspekt ist die Zusammenarbeit zwischen Justiz- und Jugendhilfesystemen, um die Rechte von Kindern Inhaftierter zu stärken. Dabei geht es u.a. um die Verbesserung von Besuchsrechten, die Einrichtung kindgerechter Besuchsbereiche in Gefängnissen und die Förderung der Eltern-Kind-Bindung.

Die Auridis Stiftung, die sozialpolitische Projekte zur Unterstützung von Kindern in herausfordernden Lebenslagen fördert, stellte ihre Arbeit zur strukturellen Verbesserung von Unterstützungsangeboten für Kinder von Inhaftierten vor.

Innovative Praxisprojekte in Deutschland: Stärkung familiärer Bindungen

Wie Angebote für Kinder von Inhaftierten praktisch umgesetzt werden können, stellte Anja Seick, Freie Hilfe Berlin e.V. und Koordinierungsstelle Netzwerk KvI Berlin, vor. Der Freie Hilfe Berlin e.V. bietet seit vielen Jahren Projekte wie Elterngruppen, Spielzeugbau und Kreativworkshops in Berliner Gefängnissen an.

Zusätzlich unterstützt das Familienprojekt „aufGefangen“ betroffene Familien durch Beratungsangebote in fünf Männervollzugsanstalten und im offenen Vollzug. Freizeitaktivitäten, wie Spielplatzbesuche oder gemeinsame Gruppenreisen, stärken die Bindung zwischen inhaftierten Eltern und ihren Kindern. Durch regelmäßige Besuche, intensive Beratung und psychosoziale Betreuung wird die Bindung zwischen den Vätern und ihren Kindern gestärkt. Das Projekt zeigt, wie wichtig es ist, die familiäre Bindung auch während der Haftzeit zu pflegen, um den Kindern emotionale Stabilität und Unterstützung zu bieten.

Internationale Best-Practice-Beispiele und innovative Ansätze

Ein zentrales Anliegen der COPE-Konferenz war der Austausch internationaler Best-Practice-Beispiele, die den Schutz und das Wohl von Kindern Inhaftierter fördern.

Großbritannien: Zusammenarbeit von Polizei und freien Trägern

Ein Konferenzhighlight war die Präsentation von Sergeant Russ Massie, Thames Valley Violence Prevention Partnership, aus Großbritannien. Er zeigt in seinem Vortrag ein beeindruckendes und berührendes Video, in dem er mit Kindern und Jugendlichen sprach, die die Inhaftierung ihres Elternteils miterleben mussten. Er hob hervor, wie bedeutsam es ist, die Stimmen der Betroffenen zu hören, Vertrauen aufzubauen und das Bewusstsein für gemeinsame Prioritäten zu schärfen. Daher hat er ein innovatives Programm zur kindgerechten Gestaltung von Verhaftungen entwickelt. Ziel des Programms ist es, Verhaftungen so zu gestalten, dass sie für die Kinder weniger traumatisch sind. Diese Initiative zeigt, wie wichtig ein kindgerechter Ansatz in allen Phasen des Strafverfahrens ist – von der Verhaftung bis zur Inhaftierung der Eltern.

Portugal: Zusammenarbeit mit der Justiz

Chandra Gracias, Judge Central Civil Court of Lisbon, betonte die Bedeutung einer kindgerechten Justiz bei der Entscheidung, ob ein Kind persönlichen Kontakt zu einem inhaftierten Elternteil haben sollte. Unter Bezugnahme auf die UN-Kinderrechtskonvention erklärte sie, dass das Kindeswohl stets im Mittelpunkt stehen muss und in jedem Fall individuell unter Berücksichtigung der Ansichten und Bedürfnisse des Kindes zu bewerten ist. Dabei stellte sie den portugiesischen „3 C’s“-Ansatz (Wissen, Bewusstsein und Stärkung) vor, der darauf abzielt, die Auswirkungen von Verhaftungen auf Kinder zu minimieren und eine interprofessionelle Zusammenarbeit zu fördern.

Griechenland: NESTOR-Projekt

Christine Maerkl, Clinical Psychologist und Trainer in Correctional Services, erörterte die Herausforderungen und Lösungen für inhaftierte Väter in Griechenland. Sie wies auf die Überbelegung, die schlechten Bedingungen und den Mangel an Aktivitäten in den Gefängnissen hin und stellte das NESTOR-Projekt vor, dass das Ziel hat, die Elternkompetenz inhaftierter Väter zu stärken sowie die Familienbeziehungen zu verbessern. Zudem werden die Väter bei der Wiedereingliederung unterstützt.

Indien: Aangan Trust

Dr. Smita Dharmamer aus Indien stellte die Arbeit des Aangan Trust vor, einer Organisation, die Kinder von inhaftierten Müttern unterstützt. Der Aangan Trust setzt sich dafür ein, dass Mütter trotz ihrer Inhaftierung eine enge Bindung zu ihren Kindern aufrechterhalten können. Zu diesem Zweck schafft der Trust in den Gefängnissen mitfühlende und nicht stigmatisierende Umgebungen, etwa durch gemeinschaftliche Kinderkrippen und spezielle Familienräume. Solche Programme sind entscheidend, um den betroffenen Kindern emotionale Stabilität und Unterstützung zu bieten.

Niederlande: „Our Stories Matter“

Annelyn Smit und Marieke van Zwam stellten das Projekt „Our Stories Matter“ aus den Niederlanden vor, das auf die sinnvolle Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Politikgestaltung und Gefängnisreform abzielt. Zusammen mit Marieke van Zwam betonte Annelyn Smit die Bedeutung, die Stimmen der Kinder von Inhaftierten aktiv in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Das Projekt schafft Plattformen, auf denen Kinder ihre Erfahrungen teilen können.

Vernetzung und sektorübergreifender Austausch

Neben den Vorträgen bot die Konferenz auch reichlich Gelegenheit für den persönlichen Austausch und die Vernetzung der Teilnehmenden. In den Pausen sowie bei der anschließenden Spreefahrt wurden zahlreiche neue Kontakte geknüpft, die den Grundstein für zukünftige Kooperationen und gemeinsame Projekte legten.

Fazit: Sektorübergreifende Zusammenarbeit als Schlüssel

Die COPE-Jahreskonferenz 2024 hat deutlich gemacht, dass eine sektorübergreifende Zusammenarbeit unerlässlich ist, um die Situation von Kindern inhaftierter Eltern nachhaltig zu verbessern. Sowohl nationale als auch internationale Beispiele zeigen, dass durch innovative Programme und einen ganzheitlichen Ansatz positive Veränderungen erzielt werden können. Der Erhalt der familiären Bindungen während der Haft und die Förderung der psychosozialen Gesundheit der Kinder müssen als zentrale Prioritäten behandelt werden, um diesen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Ein zentraler Punkt war dabei die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der Rechte der Kinder gemäß der UN-Kinderrechtskonvention. Um dies zu erreichen, müssen soziale Dienste, Justiz und Bildungseinrichtungen noch enger zusammenarbeiten. Die Konferenz hat gezeigt, dass es möglich ist, innovative Lösungen zu entwickeln, wenn alle beteiligten Akteur:innen an einem Strang ziehen.

Im Juli veröffentlichte die Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe e.V. (BAG-S) aktuelle Daten zum Mutter-Kind-Vollzug in Deutschland. Die Studie zeigt dringenden und umfassenden Handlungsbedarf auf. Im Gespräch mit Christina Müller-Ehlers, der Geschäftsführerin der BAG-S, beleuchtet das Netzwerk Kinder von Inhaftierten die zentralen Ergebnisse der Studie, diskutiert die drängendsten Probleme und erfährt mehr über notwendige Reformen, um den Schutz und die Förderung von Kindern inhaftierter Mütter zu gewährleisten.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus Ihrer Anfrage an die Landesjustizministerien im Zeitraum 2017 bis 2022 gewonnen? Gab es Aspekte, die Sie besonders überrascht oder besorgt haben?

Die Anfrage an die Landesjustizministerien hat dieses Thema der gemeinsamen Unterbringung von Müttern mit ihren Kindern wieder in den Fokus gerückt. Die letzten verfügbaren Zahlen sind aus dem Jahr 2010.

Derzeit gibt es in neun Bundesländern insgesamt 160 Haftplätze für Mütter mit ihren Kindern, während etwa 2600 Frauen inhaftiert sind, von denen rund zwei Drittel Kinder haben. Es bleibt unklar, ob die vorhandenen Plätze ausreichend sind, denn die Anforderungen an die Mütter sind oft so hoch, dass viele Anträge aufgrund ihrer Lebenssituation abgelehnt werden. Leider konnten wir durch die Anfrage nicht genau herausfinden, wie viele Ablehnungen es tatsächlich gibt.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Belegungszahlen zeigen, dass der offene Vollzug fast nie voll ausgelastet ist. Dies liegt daran, dass die Mütter nicht nur die Kriterien für den Mutter-Kind-Vollzug erfüllen müssen, sondern auch für den offenen Vollzug geeignet sein müssen. Diese doppelten Hürden führen dazu, dass viele Mütter keinen Zugang zu diesen Plätzen erhalten.

Besonders auffällig ist die Tatsache, dass viele Bundesländer gar keine oder nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Unterbringung von Müttern mit ihren Kindern bieten. Diese fehlende Einheitlichkeit führt zu ungerechten Bedingungen für die betroffenen Familien.

Erschreckend ist zudem, dass Geburten im deutschen Strafvollzug lediglich geschätzt werden und es keine systematische Erfassung dieser Ereignisse gibt. Eine präzise und umfassende statistische Erhebung ist dringend notwendig, um die Situation der betroffenen Frauen und Kinder besser beurteilen und verbessern zu können.

Die Umfrage zeigt, dass die Regelungen im Mutter-Kind-Vollzug je nach Bundesland sehr unterschiedlich sind. Welche Auswirkungen hat diese Vielfalt auf die betroffenen Mütter und Kinder und wie bewerten Sie die bestehenden Regelungen?

In 13 Bundesländern gibt es die Möglichkeit, Frauen im Strafvollzug unterzubringen, während Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen-Anhalt Verwaltungsvereinbarungen mit anderen Bundesländern haben. Allerdings existieren spezielle Mutter-Kind-Abteilungen nur in neun Bundesländern. Diese Abteilungen sind teilweise Teil des regulären Strafvollzugs, während sie in Einrichtungen wie Aichach, Vechta oder Frankfurt am Main als Jugendhilfeeinrichtungen gelten. Letzteres bietet den Müttern und Kindern ganz andere Möglichkeiten der Betreuung und Unterstützung.

Diese Unterschiede führen dazu, dass die Chancen auf einen gut ausgestatteten Mutter-Kind-Vollzug stark vom Wohnort abhängen. Hinzu kommen die unterschiedlichen Anforderungen an die Mütter, die je nach Bundesland variieren. In Bundesländern, in denen Mutter-Kind-Abteilungen als Jugendhilfeeinrichtungen geführt werden, gibt es eine deutlich bessere pädagogische Betreuung und Unterstützung für die Mütter und ihre Kinder. Das bedeutet jedoch auch, dass eine Mutter in Hamburg ganz andere Kriterien erfüllen muss als eine Mutter in Frankfurt.

Was sind die größten Herausforderungen, denen der Mutter-Kind-Vollzug in Deutschland aktuell gegenübersteht? Gibt es besondere Problemfelder, auf die Sie als BAG-S immer wieder aufmerksam machen?

Eine der größten Herausforderungen ist die Schaffung gleicher Bedingungen für Mütter und Kinder im Strafvollzug. Derzeit variieren die Regelungen und die Qualität der Unterbringung je nach Bundesland stark. Diese Ungleichheit führt zu einer Ungerechtigkeit, da die Chancen auf eine angemessene Unterbringung von Müttern und Kindern stark vom Wohnort abhängen.

Der Wohnort einer Mutter sollte nicht darüber entscheiden, ob sie mit ihrem Kind zusammenbleiben kann. Es fehlen flächendeckende Unterbringungsmöglichkeiten, und viele Mütter müssen weit reisen, um Zugang zu Mutter-Kind-Abteilungen zu erhalten, was oft eine Trennung von dem Rest der Familie bedeutet. Es müssen dringend mehr Kapazitäten geschaffen werden, damit Mütter, die die Kriterien für eine Mutter-Kind-Abteilung erfüllen, nicht von ihren Kindern getrennt werden, nur weil es nicht genügend Plätze gibt.

Ein weiteres großes Problem ist die Sicherstellung des Kindeswohls im Strafvollzug. Kinder wachsen in einem Umfeld auf, das nicht auf ihre Bedürfnisse ausgelegt ist, was langfristige negative Auswirkungen auf ihre Entwicklung haben kann. Deshalb müssen mehr offene Plätze für Mütter mit Kindern geschaffen werden, die kindgerechtere Bedingungen bieten. Zusätzlich muss der bürokratische Aufwand für vollzugsöffnende Maßnahmen reduziert werden, damit Mütter leichter Zugang zu diesen Plätzen erhalten.

Ein zentrales Thema ist die hohe Zahl von Frauen im Strafvollzug, die an psychischen Beeinträchtigungen leiden. Diese Frauen sind besonders gefährdet, keine Chance auf eine gemeinsame Unterbringung mit ihren Kindern zu bekommen. Es ist dringend erforderlich, Mechanismen zu entwickeln, um auch diesen Frauen die Möglichkeit zu geben, mit ihren Kindern zusammenzubleiben. Dies erfordert spezielle Unterstützungsangebote und Betreuung, um sicherzustellen, dass sowohl das Wohl der Mutter als auch das des Kindes gewährleistet ist.

Die psychosoziale Betreuung von Müttern mit ihren Kindern ist in vielen Einrichtungen unzureichend. Mütter, die im Strafvollzug sind, benötigen umfangreiche Unterstützung, um ihre Erziehungsfähigkeiten zu stärken und die Bindung zu ihren Kindern zu fördern. Es ist dringend notwendig, die psychosozialen Betreuungsangebote in den Mutter-Kind-Abteilungen auszubauen. Dies umfasst regelmäßige Beratungen zur Kindesentwicklung und die Unterstützung bei der Erziehungsarbeit.

In Ihren Berichten fordert die BAG-S einheitliche Mindeststandards für den Mutter-Kind-Vollzug. Welche konkreten Veränderungen halten Sie für notwendig, um die Situation der betroffenen Familien zu verbessern?

Wir wollen sicherstellen, dass jede Mutter in Deutschland – unabhängig vom Wohnort – die gleichen Chancen auf eine gemeinsame Unterbringung mit ihrem Kind hat. Es darf nicht sein, dass eine Mutter in Bayern bessere Möglichkeiten hat als eine in Thüringen. Um dies zu gewährleisten, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Justiz unerlässlich. Diese beiden Systeme müssen eng verzahnt arbeiten, um sicherzustellen, dass sowohl die Bedürfnisse der Kinder als auch die der Mütter berücksichtigt werden.

Wie sehen Sie die Rolle psychosozialer Unterstützung im Mutter-Kind-Vollzug? Sind diese Angebote in allen Bundesländern ausreichend vorhanden, und wie könnte eine flächendeckendere Versorgung aussehen?

Psychosoziale Unterstützung spielt eine zentrale Rolle im Mutter-Kind-Vollzug. Diese Angebote sind jedoch nicht flächendeckend vorhanden. Um eine flächendeckendere Versorgung sicherzustellen, müssten mehr qualifizierte Fachkräfte in die Mutter-Kind-Abteilungen integriert werden. Besonders wichtig sind regelmäßige Beratungen zur Kindesentwicklung und Unterstützung bei der Erziehungsarbeit. Dies erfordert die flächendeckende Anerkennung als Einrichtung der Jugendhilfe.

Wie sehen Sie die Zukunft des Mutter-Kind-Vollzugs in Deutschland? Gibt es bereits vielversprechende Ansätze oder Pilotprojekte, die als Vorbild für andere Bundesländer dienen könnten?

Die Zukunft des Mutter-Kind-Vollzugs in Deutschland muss in erster Linie auf der Vermeidung von Inhaftierungen basieren, insbesondere in Fällen, in denen Kinder betroffen sind. Haftvermeidende Strategien müssen in allen Situationen genutzt werden, um sicherzustellen, dass Mütter und ihre Kinder nicht getrennt werden. Ein entscheidender Aspekt ist die wohnortnahe Unterbringung in kindgerechten Einrichtungen, damit die Kinder in ihrem gewohnten sozialen Umfeld bleiben können und gleichzeitig die Mutter-Kind-Bindung gestärkt wird.

Es ist wichtig, Alternativen zur klassischen Haft stärker in Betracht zu ziehen. Ein Ansatz wie „Erziehungstrainings statt Strafe“ könnte eine sinnvolle Lösung darstellen, ähnlich dem Modell „Arbeit statt Strafe“. Solche Trainings könnten Müttern helfen, ihre Erziehungsfähigkeiten zu verbessern und gleichzeitig vermeiden, dass sie und ihre Kinder durch eine Inhaftierung getrennt werden. Besonders Frauen, die oft kurze Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen, könnten von diesen Alternativen profitieren.

Auch das Konzept des „Hausfrauenvollzugs“, bei dem die Mütter ihre Strafe zu Hause verbüßen und dabei die Möglichkeit haben, sich um ihre Kinder zu kümmern, könnte unter einem modernen Namen neu aufgelegt werden und wäre eine Möglichkeit, um Inhaftierungen zu vermeiden und gleichzeitig das Wohl der Kinder zu sichern. Solche Ansätze bieten nicht nur eine bessere Perspektive für die betroffenen Familien, sondern entlasten auch den Strafvollzug und die Jugendhilfe.

Ein vielversprechendes Pilotprojekt ist der „Strafvollzug in freien Formen“ im Bundesland Sachsen, das als erstes Bundesland dieses Modell für Frauen eingeführt hat. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Konzept auch für Frauen mit Kindern erweitert wird.

Darüber hinaus müssen wir Angebote entwickeln, die es Vätern ermöglichen, gemeinsam mit ihren Kindern untergebracht zu werden.

Der Verein Freie Hilfe Berlin e.V. ist seit vielen Jahren eine zentrale Anlaufstelle in der sozialen Arbeit mit Straffälligen und ihren Familien. Er unterstützt inhaftierte Menschen bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft und bietet zugleich wichtige Hilfen für deren Angehörige, insbesondere auch für Kinder. Das Projekt aufGefangen des Freien Hilfe e.V. legt dabei seinen Schwerpunkt auf inhaftierte Väter, die trotz ihrer Haftzeit den Kontakt zu ihren Kindern halten wollen. Das Ziel ist es, familiäre Bindungen zu stärken und den betroffenen Familien in dieser schwierigen Zeit durch intensive Beratung und Unterstützung zur Seite zu stehen.

 

Das SeitenWechsel-Programm

Eine besondere Möglichkeit, diese oft verborgene und wenig bekannte Arbeit zu erleben, bietet das Programm „SeitenWechsel“. Es richtet sich an Führungskräfte aus der Wirtschaft, die für eine Woche die Gelegenheit erhalten, die Praxis der sozialen Arbeit hautnah zu erleben. Die Teilnehmer*innen tauchen in den Arbeitsalltag von sozialen Organisationen ein. Der Freie Hilfe Berlin e.V. nimmt seit mehreren Jahren regelmäßig am SeitenWechsel-Programm teil.

Praktische Einblicke in die Straffälligenhilfe

Während ihres Aufenthalts bei dem Freie Hilfe Berlin e.V. begleiten die SeitenWechsler*innen die täglichen Abläufe. Dabei erleben sie u.a. die Familienarbeit des Projekts aufGefangen und erhalten tiefere Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der Straffälligenhilfe. Die Teilnehmer*innen erleben dabei die Beratung für inhaftierte Väter und erfahren wie wichtig es ist, ihnen zu helfen, die Bindung zu ihren Kindern zu bewahren oder wiederherzustellen. Für die SeitenWechsler*innen wird so greifbar, dass auch straffällig gewordene Menschen liebende Eltern sein können, die das Beste für ihre Kinder wollen. Durch diesen Perspektivenwechsel können die Führungskräfte Vorurteile abbauen und ein tieferes Verständnis für die komplexen Probleme entwickeln, mit denen sowohl die Inhaftierten als auch deren Familien konfrontiert sind.

Beitrag zur Enttabuisierung

Mit dem SeitenWechsel-Programm trägt der Freie Hilfe Berlin e.V. dazu bei, das Thema Straffälligkeit aus der gesellschaftlichen Tabuzone zu holen und das Bewusstsein für die besonderen Lebensrealitäten inhaftierter Eltern und ihrer Kinder zu schärfen. Familien von Inhaftierten sind oft sozial isoliert und stehen am Rand der Gesellschaft. Diese Isolation zu durchbrechen, ist ein wichtiger Schritt, um eine erfolgreiche Wiedereingliederung zu ermöglichen.

Das Programm vermittelt den Teilnehmer*innen nicht nur wertvolle soziale Kompetenzen, sondern erzeugt auch einen Multiplikatoreneffekt: Die Eindrücke und Erfahrungen, die die SeitenWechsler*innen gewinnen, können in die Unternehmenskultur und in die tägliche Teamarbeit einfließen. Diese neu gewonnen Perspektiven sorgen für ein stärkeres soziales Bewusstsein, mehr Offenheit und können in ihrem beruflichen Umfeld neue Impulse setzen.

Bisher hatte der Freie Hilfe Berlin e.V. Seitenwechsler*innen von Firmen wie Vattenfall, Berliner Wasserwerke, dem BER-Airport u.v.m.

Fazit

Das SeitenWechsel-Programm in Kooperation mit dem Freie Hilfe Berlin e.V. ist ein wertvolles Instrument zur Förderung sozialer Kompetenzen und zur Stärkung des Verständnisses für benachteiligte Gruppen.

Der Verein Freie Hilfe Berlin e.V. freut sich darauf, auch in Zukunft weitere SeitenWechsler*innen zu begrüßen und ihnen u.a. die Welt der Straffälligenhilfe näherzubringen.

Weitere Informationen zur Arbeit des Freien Hilfe Berlin e.V. finden Sie hier. Weitere Informationen zu der Teilnahme am SeitenWechsel-Programm finden Sie hier.

Wir möchten Sie auf einen aktuellen und äußerst spannenden Podcast des Deutschlandfunks hinweisen: Eltern im Knast: Und was ist mit den Kindern?. Der Podcast setzt sich intensiv mit den Herausforderungen auseinander, denen Kinder von inhaftierten Eltern täglich begegnen, und zeigt eindrucksvoll, wie wichtig der Schutz und die Wahrung von Kinderrechten im Zusammenhang mit elterlicher Inhaftierung sind.

Ein besonderes Highlight ist das Interview mit Hilde Kugler, der Initiatorin und Leiterin der Bundesinitiative Netzwerk Kinder von Inhaftierten. Sie gibt wertvolle Einblicke aus ihrer langjährigen Erfahrung und spricht über die drängenden Herausforderungen sowie über konkrete Maßnahmen, um die Situation dieser oft vergessenen Kinder nachhaltig zu verbessern.

Dieser Podcast bietet wichtige Impulse für alle, die sich mit dem Thema Kinder von Inhaftierten befassen, und setzt entscheidende Akzente im Hinblick auf Mitbestimmung, Teilhabe und den Schutz von Kinderrechten.

Heute, am 20. September 2024, feiern wir den Weltkindertag und erinnern an die Rechte aller Kinder, die in der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) festgeschrieben sind. Doch für Kinder von Inhaftierten bleibt besonders eines dieser grundlegenden Rechte in Deutschland oftmals unerfüllt: das Recht auf regelmäßigen, direkten Kontakt zu beiden Elternteilen, auch wenn einer von ihnen inhaftiert ist. Artikel 9 der UN-KRK garantiert diesen Anspruch – leider wird er in der Praxis häufig nur unzureichend umgesetzt.

Schätzungsweise 100.000 Kinder in Deutschland sind aktuell von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen. Für diese Kinder bedeutet die Haft ihres Elternteils einen enormen Einschnitt in ihr Leben. Der Kontakt ist oft auf wenige, kurze Besuche pro Monat beschränkt und findet meist nicht unter kindgerechten Bedingungen statt. Hinzu kommen meist lange Anreisen zu den Justizvollzugsanstalten (JVA) sowie Besuche, die in ungeeigneten Räumen mit unzureichenden Spiel- und Rückzugsmöglichkeiten stattfinden. Diese Umstände erschweren den betroffenen Kindern nicht nur den Kontakt, sondern auch die emotionale Bindung zu ihrem inhaftierten Elternteil.

Was fordert die UN-Kinderrechtskonvention?

Artikel 9 der UN-KRK sichert jedem Kind das Recht auf regelmäßigen, persönlichen und unmittelbaren Kontakt mit seinen Eltern zu, soweit dieser Kontakt nicht dem Kindeswohl widerspricht. In Deutschland sind sowohl der Bund als auch die Länder durch die Konvention gebunden, diesen Anspruch umzusetzen. Doch die Realität sieht anders aus: In den meisten Bundesländern variiert die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbesuchszeit erheblich – von monatlich einer Stunde (z.B. in Hessen und Saarland) bis zu vier Stunden (z.B. in Brandenburg und Sachsen). Auch die Möglichkeiten für zusätzliche Langzeitbesuche oder telefonischen und digitalen Kontakt sind nicht flächendeckend geregelt und hängen oft von der jeweiligen JVA ab.

Warum sind Besuche so wichtig?

Für Kinder, deren Eltern inhaftiert sind, ist der regelmäßige persönliche Kontakt nicht nur eine Möglichkeit, die familiäre Bindung aufrechtzuerhalten – er ist ein zentraler Bestandteil ihrer Entwicklung und emotionalen Stabilität. Der Kontakt hilft ihnen, besser mit der belastenden Situation umzugehen und Entfremdung zu verhindern, die besonders bei längeren Haftstrafen auftreten kann.

Untersuchungen zeigen, dass regelmäßige Besuche und Gespräche mit dem inhaftierten Elternteil dazu beitragen, dass Kinder das Geschehen besser verarbeiten und sich weniger isoliert fühlen. Zudem kann der Kontakt die Wiedereingliederung des Elternteils nach der Haft unterstützen, was langfristig der ganzen Familie zugutekommt.

Was muss sich ändern?

Es braucht dringend einheitliche, bundesweite Mindeststandards, die den Kontakt zwischen Kindern und ihren inhaftierten Eltern gewährleisten. Dazu zählen:

  1. Geregelte Besuchszeiten in allen Bundesländern und JVAen, die den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden. Diese sollten häufiger und länger sein als aktuell in vielen Fällen der Standard ist.
  2. Kindgerechte Besuchsumgebungen mit Spielmöglichkeiten und geschützten Bereichen, die es den Kindern erleichtern, sich in der ungewohnten Umgebung der JVA zurechtzufinden.
  3. Erweiterte digitale Kontaktmöglichkeiten, wie z.B. Videotelefonie, die als Ergänzung zu persönlichen Besuchen angeboten werden sollten und nicht auf die reguläre Besuchszeit angerechnet werden dürfen.
  4. Sensibilisierung der Justizvollzugsanstalten für die Bedürfnisse der Kinder von Inhaftierten sowie Schulungen für das Personal, um den Umgang mit diesen Kindern zu verbessern.

Der Weltkindertag erinnert uns daran, dass jedes Kind das Recht auf eine glückliche und gesunde Kindheit hat – unabhängig von den Lebensumständen. Der regelmäßige Kontakt zu inhaftierten Eltern ist ein Menschenrecht, das von allen staatlichen Stellen in Deutschland respektiert und umgesetzt werden muss.

Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die Kinder von Inhaftierten nicht weiter vergessen werden und ihnen die Unterstützung zukommt, die sie verdienen!

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Kinder von Inhaftierten“ führt das Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ) im Auftrag der Auridis Stiftung eine umfangreiche Bestandsanalyse durch. Ziel der Erhebung ist es, die Lebenssituation von Kindern inhaftierter Eltern in den Bundesländern Hessen, Bayern, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen besser zu verstehen und die familienorientierten Unterstützungsangebote für diese Kinder und ihre Familien systematisch zu untersuchen.

Hintergrund und Zielsetzung

Kinder von inhaftierten Eltern stehen oft vor besonderen Herausforderungen, da die Inhaftierung eines Elternteils tiefgreifende Auswirkungen auf ihre Lebensumstände hat. Das Forschungsprojekt möchte deshalb sowohl familienorientierte Unterstützungsangebote innerhalb der Justizvollzugsanstalten als auch externe Angebote analysieren. Die Erkenntnisse aus dieser Bestandsaufnahme sollen helfen, das Unterstützungsnetzwerk für betroffene Kinder weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Ihre Teilnahme als Fachkraft

Wir richten uns gezielt an Fachkräfte, die in familienorientierten Unterstützungsprojekten tätig sind und mit inhaftierten Eltern arbeiten. Ihre Einschätzungen und Erfahrungen sind von großer Bedeutung, da Sie direkten Einblick in die Wirkung und Herausforderungen der bestehenden Maßnahmen haben. Ihre Teilnahme an der Umfrage trägt wesentlich dazu bei, die Versorgungssituation von Kindern inhaftierter Eltern weiter zu optimieren.

Umfang der Befragung

Sollten Sie in mehreren Justizvollzugsanstalten tätig sein oder dort familienorientierte Angebote durchführen, haben Sie die Möglichkeit, den Fragebogen für bis zu drei Haftanstalten auszufüllen. Dies ermöglicht eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Standorte und ihrer spezifischen Gegebenheiten. Alternativ können Sie sich auch auf eine Haftanstalt konzentrieren, in der Sie schwerpunktmäßig tätig sind.

Vertraulichkeit und Auswertung

Die Befragung erfolgt anonym, und es besteht zu keiner Zeit die Möglichkeit, Rückschlüsse auf einzelne Personen oder Institutionen zu ziehen. Ihre Antworten werden systematisch ausgewertet und liefern wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung familienorientierter Angebote.

Ihre Mitwirkung ist entscheidend

Durch Ihre Teilnahme helfen Sie uns, ein besseres Verständnis für die Lebenssituation der betroffenen Kinder zu gewinnen und gezielte Verbesserungen für deren Unterstützung anzustoßen. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten – jede Ihrer Einschätzungen zählt!

Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Zeit und Ihr Engagement. Ihre Teilnahme trägt entscheidend dazu bei, die Zukunft der Kinder von Inhaftierten positiv zu gestalten.

Kontakt bei Fragen:

Wenn Sie Fragen haben, dann können Sie uns gerne Ihre Fragen zukommen lassen. Bitte schreiben Sie dann auch Ihre Antwortadresse auf.

Schreiben Sie das IKJ gerne an:
IKJ Institut für Kinder- und Jugendhilfe
Stichwort: KVI
Altendorfer Straße 237
45143 Essen

Das Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ) macht eine Umfrage bei Familien, in denen ein Elternteil im Gefängnis ist. Zusammen mit der Auridis Stiftung wird diese Befragung in Berlin, Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen durchgeführt.

 

Das IKJ und die Auridis Stiftung möchten in dem Forschungsprojekt wissen, wie gut die Familienangebote in den Gefängnissen für Familien funktionieren, und herausfinden, wie gut diese Angebote den Familien helfen.

Daher würden wir uns freuen, wenn Sie uns bei der Forschung helfen und einen Fragebogen ausfüllen. Die Teilnahme ist freiwillig und anonym. Wenn Sie eine oder mehrere Fragen nicht beantworten möchten, ist das vollkommen in Ordnung.

Wenn Sie keinen Kontakt zum anderen Elternteil in Haft haben, dann können Sie trotzdem an unserer Umfrage teilnehmen.

Kontakt bei Fragen:

Wenn Sie an uns Fragen haben, dann können Sie uns gerne Ihre Fragen zukommen lassen. Bitte schreiben Sie uns dann auch Ihre Antwortadresse auf.

Schreiben Sie das IKJ gerne an:
IKJ Institut für Kinder- und Jugendhilfe
Stichwort: KVI
Altendorfer Straße 237
45143 Essen

Die Inhaftierung der eigenen Mutter ist ein großer Schock für die Kinder und wirft gleichzeitig viele Fragen auf. Es ist nicht immer einfach, Erklärungen darauf zu finden. In unserem Beitrag und Flyer „Mama muss ins Gefängnis“ finden Sie daher kindgerechte Antworten zu diesem schwierigen Thema.

 

Das Wichtigste zuerst

Dein Papa hat dich immer noch lieb. Du kannst deinen Papa noch lieb haben. Daran wird sich nichts ändern!

Geht es Papa gut?

Dein Papa ist versorgt. Er hat ein eigenes Bett und bekommt genug zu Essen. Falls er krank wird, gibt es einen Arzt im Gefängnis.

Besuche

Wie oft und wann du deinen Papa besuchen darfst, ist bei jedem Gefängnis anders. Die Besuchszeiten kannst du auf der Homepage des Gefängnisses nachschauen.

Telefonate

Du kannst deinen Papa im Gefängnis nicht anrufen. In manchen Gefängnissen ist es aber möglich, dass dein Papa dich anruft.

Briefe

Du kannst deinem Papa jederzeit Briefe schreiben. Die Briefe werden im Gefängnis kontrolliert. Darum kommen die Briefe erst ein paar Tage später an. Sticker, Klebestreifen oder Kleber darfst du nicht verwenden.

Handy, Chat, E-Mail

Handys sind im Gefängnis nicht erlaubt. Dein Papa hat im Gefängnis kein Internet. Dein Papa kann also auch nicht chatten, E-Mails versenden oder empfangen.

Noch mehr Fragen?

Antworten auf noch viele andere Fragen sowie Informationen rund um das Thema Inhaftierung findest du auf: 



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Partner in Haft. Was nun? Papa muss ins Gefängnis. Was jetzt?

Ende Juli war es soweit: Angehörige von Inhaftierten der JVA Waldeck, begleitet von Mitarbeiterinnen der katholischen Seelsorge und dem Modellprojekt „Angehörigenarbeit“, trafen sich zu einem besonderen Ausflug im Rostocker Zoo.

Der Tag begann mit einem gemeinsamen Start, bevor die Familien das weitläufige Zoogelände erkundeten. Ob allein oder in Kleingruppen – es gab viel zu entdecken und zu erleben. Zu einem vorher vereinbarten Zeitpunkt trafen sich alle Teilnehmer wieder zum gemeinsamen Mittagessen. Dank der guten Organisation konnten wir einen reservierten Tisch nutzen, der von den Mitarbeitern des Zoos ansprechend dekoriert worden war.

Nach einer Stärkung machten sich die Familien erneut auf den Weg, um die vielen weiteren Attraktionen des Zoos zu erkunden. Besonders die Kinder hatten eine großartige Zeit: Sie beobachteten und lernten unterschiedliche Tiere kennen, erforschten verschiedene Stationen und Spielplätze und erlebten viele spannende Momente.

Während die Kinder sich vergnügten, nutzten die Erwachsenen die Gelegenheit zum Austausch. Die Anwesenheit der Mitarbeiterinnen der katholischen Seelsorge und des Modellprojekts „Angehörigenarbeit“ bot Raum für wertvolle Gespräche und intensiven Austausch.

Der Tag endete mit vielen strahlenden Gesichtern und positivem Feedback. Müde, aber glücklich, machten sich die Familien auf den Heimweg. Dieser gemeinsame Zoobesuch war für alle Beteiligten eine bereichernde Erfahrung und ein schöner Anlass, wertvolle Zeit miteinander zu verbringen und neue Kraft zu schöpfen.

Landesfachstelle Netzwerk Kinder von Inhaftierten (KvI) Bayern hat neben der Entwicklung neuer Angebote und der direkten Beratung von Familien auch die Aufgabe, Fachkräfte für das Thema „Kinder von Inhaftierten“ zu schulen. Erfreulicherweise konnten im Rahmen der anstaltsinternen Fortbildung der JVA Nürnberg (einschließlich der Außenstellen) bei 17 Terminen rund 330 Mitarbeitende aus allen Bereichen, darunter der allgemeine Vollzugsdienst, Fachdienste und die Leitungsebene, für die Probleme der Kinder sensibilisiert werden, die durch die Inhaftierung eines Elternteils entstehen. Hierbei fand auch eine intensive Thematisierung des „familienorientierten Vollzugs“ statt.

Kontroverse Diskussionen und konstruktive Anregungen

Während der Veranstaltungen gab es teils kontroverse Diskussionen über Veränderungen, die durch die Landesfachstelle angestoßen wurden. Ein Beispiel ist die Markierung der Wege, die den Kindern beim Besuch den Weg mittels Hufspuren des Maskottchens Juki weisen. Diese Maßnahmen wurden jedoch auch von vielen Teilnehmenden positiv aufgenommen, was sich in zahlreichen konstruktiven Anregungen und einer hohen Bereitschaft zur Unterstützung familienorientierter Angebote zeigte. Ein wichtiges Thema, das von den Mitarbeitenden angesprochen wurde, war der Personalmangel, da die Umsetzung der familienorientierten Angebote natürlich auch zu einem zeitlichen Mehraufwand bei den Diensthabenden führt.

Praktische Vorschläge der Teilnehmenden

In den Rückmeldungen der Teilnehmenden wurde unter anderem angeregt, Briefsets, die speziell für die Kommunikation zwischen Kind und inhaftiertem Elternteil entwickelt wurden, in der Zugangsabteilung bereitzulegen. Zudem wurde eine Anleitung für den Briefkontakt gewünscht, beispielsweise mit Piktogrammen. Eine weitere Idee war, „Überzieher“ mit dem Juki-Design für die Handsonden, die bei der Einlasskontrolle zum Einsatz kommen, von der Schneiderei nähen zu lassen.

Positives Fazit und Ausblick

Aus Sicht der Landesfachstelle und der Justizvollzugsanstalt ist es ein großer Erfolg, so viele Mitarbeitende einer JVA für das Thema „Kinder von Inhaftierten“ erreicht zu haben und somit auch den Austausch innerhalb der JVA zu befördern. Ein Teilnehmender bedankte sich für die Veranstaltung mit den Worten: „Danke für den tollen und informativen Vortrag :)“ Ein wichtiges Thema, das von den Mitarbeitenden angesprochen wurde, war der Personalmangel.

In einem Nachgespräch mit der Leitungsebene werden die konkreten Anregungen geprüft und Umsetzungsmöglichkeiten besprochen. Am Ende geht es darum, sich gemeinsam für die Kinder von Inhaftierten einzusetzen, um deren bestmögliche Entwicklung zu unterstützen.

Wir sind stolz auf die positive Resonanz und die vielen konstruktiven Ideen und freuen uns darauf, gemeinsam mit der JVA Nürnberg weitere Schritte zu gehen, um die Situation von Kindern inhaftierter Eltern zu verbessern.